Tags: Verlagswelt, Digitalisierung
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Die Digitalisierung erhält Einzug in die deutsche Verlagswelt. Die unsichtbaren Daten hinter den Büchern aus Tinte und Papier, die wir so lieben, werden immer wichtiger. Aber was genau passiert eigentlich hinter den Kulissen? Dazu haben wir Bibi Setayesh, Daten- und Produktmanagerin beim Technologie- und Informationsanbieter MVB, befragt.
Fragen an Bibi Setayesh
Scriptbakery: Liebe Bibi, Sie sind Daten- und Produktmanagerin beim Technologie- und Informationsanbieter MVB. Was genau kann man sich unter dieser Berufsbezeichnung vorstellen?
Bibi Setayesh: Ich kümmere mich um die Weiterentwicklung des Verzeichnisses Lieferbarer Bücher (VLB), der zentralen Datendrehscheibe der Buchbranche. Dabei geht es sowohl um Fragen rund um Metdaten-Standards wie ONIX und die Thema-Klassifikation als auch um die Optimierung der Webanwendung unter www.vlb.de. Außerdem betreue ich unter anderem unsere Datenexporte. Diesem Daten-Clearing kommt eine entscheidende Rolle zu, denn das VLB ist schließlich Referenzdatenbank für die Preisbindung von gedruckten Büchern und E-Books in Deutschland und Österreich.
Kurz: Mein Job ist es, komplexe und unsichtbare Daten sichtbar zu machen, damit sie von allen Nutzern verstanden werden. Unsere Kundinnen und Kunden unterstützen wir, indem wir die Discoverability ihrer Produkte anhand professionell gepflegter Metadaten erhöhen. So können Bücher erfolgreich gesucht und gefunden werden.
Scriptbakery: Sie haben Informatik in Frankfurt studiert. Hatten Sie schon immer vor, mit diesem Studium in die Verlagsbranche zu gehen? Das ist ein Schritt, der zunächst ungewöhnlich wirkt, oder liegt das an meinem begrenzten Horizont?
Bibi Setayesh: Seitdem ich lesen konnte, haben Bücher in meinem Leben– schon als Kind,– eine zentrale Rolle gespielt. Mein ganzes Taschengeld habe ich für neuen Lesestoff ausgegeben.
Dennoch war es ein Zufall, dass ich in der Verlagsbranche gelandet bin. Ich kam als Studentin zum Campus Verlag und habe dort zuerst dreieinhalb Jahre in der IT-Abteilung gearbeitet. Im Jahr 2004 wurden E-Books und Audio-Download-Produkte auch in Deutschland zum Hype und jeder Verlag wollte diese neuen Formate anbieten, die in den USA so erfolgreich waren.
Deshalb wechselte ich damals von der IT zur neugegründeten E-Commerce-Abteilung im Verlag und habe von Anfang an die Digitalisierung der Buchbranche begleitet und mitgestaltet – bei MVB bin ich heute mittendrin. Ich bin sehr dankbar und stolz, dass ich diesen Weg mitgehen durfte. 🙂
Scriptbakery: Die Beschäftigung mit Metadaten, das klingt nicht nach der typischen Jobbeschreibung eines Lektors oder einer Lektorin. Dennoch ist um das Thema in der modernen Verlagsbranche nicht herumzukommen. Können Sie erklären, wieso?
Bibi Setayesh: Entscheidend für die Auffindbarkeit eines Titels – ob digital oder gedruckt – sind gut gepflegte Metadaten. Je vollständiger diese Produktinformationen, desto höher der Verkaufserfolg. Auch ein gut lektorierter Thriller oder Ratgeber muss erst im Handel gesucht und gefunden werden können, damit das Buch zu seinen Lesern findet. Diverse Studien in den USA, Deutschland und anderen Ländern zeigen, dass gut gepflegte Metadaten wie Cover, Produktbeschreibung, Urheber, Schlagworte und Produktsprache die Verkaufschancen enorm erhöhen, usw.
Scriptbakery: Sie haben auch ein Buch mit veröffentlicht, nämlich „Metadaten für Dummies“. Da ich ganz sicherlich zum angesprochenen Publikum gehöre: Könnten Sie mir 3 wichtige Fakten über Metadaten in der Verlagsbranche (für Dummies) nennen?
Bibi Setayesh: Das A und O bei den Metadaten ist die inhaltliche Erschließung eines Titels. Zu den wichtigsten Instrumenten gehören dabei die Thema-Klassifikation, Keywords und beschreibende Texte.
Scriptbakery: Sie geben unter anderem auch Seminare für Lektoren und Lektorinnen, in denen es um die Produktpräsentation ihrer Bücher und Titel geht. Was möchten Sie den Teilnehmer:innen dieser Seminare vor allem mitgeben?
Bibi Setayesh: Metadaten wie Titel, Cover oder Buch-Kategorien begleiten Kunden beim gesamten Kaufprozess – von der ersten Recherche bis zum Einkauf. Wenn Sie als Verlag Energie in die Pflege von Metadaten stecken, ist das ein Aufwand, der sich auf jeden Fall lohnt. Je umfassender Sie Ihre Titel beschreiben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Bücher auf möglichst vielen verschiedenen Wegen gefunden werden.
Scriptbakery: In einem Satz: Wie vermarktet man ein Buch am besten?
Bibi Setayesh: Durch professionelles Metadatenmanagement, denn der beste Inhalt lässt sich nicht verkaufen, wenn er nicht gefunden wird.
Scriptbakery: Geben Sie trotz der aktuellen Pandemie-Lage weiterhin digitale Seminare oder Fortbildungen?
Bibi Setayesh: Ja, auch in Zeiten von Corona biete ich regelmäßig Webinare und auf Anfrage auch Inhouse-Schulungen im digitalen Format an. Beide Angebote sind gerade jetzt sehr gefragt. Der Wissenstransfer ist im Fluss 🙂
Scriptbakery: Welche (neuen) Projekte halten Sie zurzeit in Atem?
Bibi Setayesh: Die Neuentwicklung unserer Weboberfläche „vlb.de“, die komplett auf dem Datenmodell von ONIX 3.0 aufbaut. Mit vielen großartigen Features erleichtern wir Verlagen und Buchhandlungen damit bald die tägliche Arbeit mit dem VLB.
Scriptbakery: Sie sind schon sehr lange in der Verlagsbranche tätig. Auch wenn die Digitalisierung langsam Einzug erhält, wirkt die deutsche Verlagswelt in vielen Fällen noch immer traditionell, beinahe antiquiert. Glauben Sie, dass Deutschland diesbezüglich hinter anderen Ländern hinterherhinkt?
Bibi Setayesh: Deutschland hat den zweitgrößten Buchmarkt der Welt und gerade jetzt in der Pandemie passiert viel. Es ist beindruckend, wie positiv die deutsche Branche mit dieser Herausforderung um- und Veränderungen angeht. Es werden neue Ideen und Geschäftsmodelle entwickelt. Beispielhaft zu erwähnen ist, dass die größte Buchmesse der Welt „FBM“ komplett digital stattgefunden hat, und zwar mit großem Erfolg.
Scriptbakery: Könnten Sie die deutsche Verlagsbranche in drei Worten beschreiben?
Bibi Setayesh: Mutig, klug, vorausschauend.
Scriptbakery: Auch, wenn Ihr Hauptfokus auf Datenmanagement liegt: Lesen Sie zudem gern die Bücher, die Sie helfen, zu vermarkten? Und die Klischeefrage zum Schluss: Haben Sie ein Lieblingsbuch?
Bibi Setayesh: Ja, absolut! Lesen ist mein großes Hobby. Der Mensch lernt nie aus. Nach jedem Buch, das ich zu Ende gelesen habe, wird mir klar, dass mir doch sehr viel an Wissen fehlt. Ich habe einige Lieblingsbücher, eins davon ist: „Die Stunde, in der ich zu glauben begann“ von Wally Lamb.