Tags: Lektorat, Literatur, Textanalyse
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Was mal geklärt werden sollte – der Unterschied zwischen Korrektorat und Lektorat
Was jetzt endlich mal geklärt werden sollte: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Korrektorat und einem (Verlags-) Lektorat? Oft werden beide Begriffe synonym verwendet, beinhalten aber zwei ganz und gar nicht synonyme Tätigkeitsfelder. Das soll hier mal an zwei Beispielen illustriert werden.
Die Lupe des Korrektors
Unser Korrektor kommt in sein Büro, setzt sich an seinen Schreibtisch, auf seinen Stuhl, rückt das Manuskript zurecht und hält es sich vor die Nase. Dann macht er sich auf die Suche. Seine Lupe ist getrimmt auf Grammatikgräuel, Rechtschreibrandale und ausgerutschte Ausdrücke.
Groß geschrieben, was klein gehört und klein gehalten, was groß sein muss? – Rot angestrichen. Zusammengeschrieben, was getrennt gehört und voneinander gerissen, was zusammenstehen soll? – Rot angestrichen. Ein Komma zu viel hier, ein Komma zu wenig da? – Rot. Fremdwörter werden eingestreut, des gebildeten Eindrucks wegen, ihre Schreibweise ist aber eben recht fremd? – Rot. Das scharfe S wird systematisch vernachlässigt? – Rot, Rot, Rot. „Dass“ und „das“ verwechselt? – Der Korrektor fällt tot vom Stuhl. Spaß am Rande. Wieder Rot. Ich glaube, das Bild ist nun klar gezeichnet: Unser Korrektor überprüft den Text grammatikalisch und rechtschreiblich. Das ist richtig und wichtig. Das war’s dann aber.
Weitersehen und Weitergehen der Lektorin
Unsere Lektorin kommt in ihr Büro, setzt sich an ihren Schreibtisch, auf ihren Stuhl, rückt das Manuskript zurecht und hält es sich vor die Nase. Eine Lupe will sie nicht. Nicht der Zoom, sondern das Gesamtbild spielt hier die Hauptrolle. Holismus statt Atomismus. Rechtschreibung und Grammatik sind zweifelsohne mit von der Partie, aber nicht die alleinigen Tänzer im Saal der Erstbegutachtung.
Was sich hier in den Reigen noch einreiht: Stil und Stilblüten; Textform und Textstruktur; Zusammenhänge, die es gibt und Zusammenhänge, die verloren gehen; Wiederholungen, die müde machen; Bandwurmsätze, die Leser mittendrin verlieren; Füllwörter, die nicht nötig sind – alles das wird gesucht, wird überprüft, wenn nötig, ausgebessert. Sind alle Schreibweisen einheitlich? Ist die Länge dieses Abschnittes angemessen oder bläht man auf, was komprimiert gehört? Gibt es einen konstanten roten Faden oder vernetzt er sich kreuz und quer? Sind die Inhalte interessant, überstehen sie den Faktencheck? Sind die Satzkonstruktionen stabil oder stehen sie windschief? –
Alles das kommt bei einem Lektorat zusätzlich zur Überprüfung des Manuskriptes auf Rechtschreib- und Grammatikfehler dazu. Auch Lektoren und Lektorinnen eignen sich akribisch die Regeln um richtige Schreibweise und Zeichensetzung an, das müssen sie auch. Phantasie, Sprachgefühl und Überblick über das Gesamtkunstwerk sind jedoch ebenfalls wichtig, um am Ende ein gutes Buch in den Händen zu halten. Das wird jeder bestätigen, der selbst schreibt. Apropos – Autor und Autorin spielen in der Welt unserer Lektorin eine wichtige Rolle. Wenn ein Text auch auf Stil und Inhalt hin untersucht und optimiert wird, ist eine enge und transparente Zusammenarbeit mit seiner Verfasserin das A und O, also nicht nur Arbeit an der Schrift, auch Arbeit mit dem Schriftsteller gehört zum Arbeitsbereich der Lektorin. Quasi ein Korrektorat mit einem großen, fetten Plus.
Geklärt?
Noch ein Gedankenspiel, man kann ja nie genug haben: Man stelle sich das Korrektorat wie einen Espresso vor. Kompakt, stark, nützlich, das Wichtigste ist drin. Ein Lektorat ist wie ein Cappuccino. Der Espresso ist immer mit enthalten und muss mit von der Partie sein, dazu gibt es aber noch warme Milch, die dem Gaumen schmeichelt, die Säure mildert, ein wenig Milchschaum obenauf, vielleicht etwas Kakaopulver. Niemand wird dem Espresso das Koffein absprechen, aber für gemütliche Minuten mit guten Freunden, einem guten Buch oder der Kuscheldecke freut man sich vielleicht doch mehr über eine randvolle Tasse Kaffeekunst.
Kurz und knapp zusammengefasst: Im Lektorat ist das Korrektorat immer mit enthalten, es geht aber stets darüber hinaus. Dem fertiggestellten Buch wurde bei einem Lektorat im Idealfall nicht nur das Nötigste mitgegeben, sondern alles Nötige, um die bestmögliche Version der Geschichte erzählen zu können.